Nach Lauschangriff, Telekommunikationsüberwachung, Rasterfahndung, Videoüberwachung steht das nächste große Ding kurz bevor, die Online-Durchsuchung, quasi als nächster logischer Schritt in der Timeline der Beschneidung von Grundrechten. Status quo einer Misere.
Die Koalitionspartner sind sich einig und das Gesetz zur Ermöglichung der umstrittenen Online Durchsuchung mittels Polizeitrojaner scheint unter Dach und Fach. Spätestens bis Herbst 2008 soll der Online-Lauschangriff gesetzlich verankert werden.
Verantwortlich zeichnen Justizministerin Maria Berger sowie Innenminister und Big Brother Award Gewinner Günther Platter. Konkret geht’s dabei um einen Online-Lauschangriff via Bundestrojaner. Mittels spezieller Software soll es künftig also möglich sein, alle Rechner, die gerade Online sind, auszuspionieren. Nach Verlautbarungen der Justizministerin und des Innenministers soll so eine Aktion zwar äußerst selten und nur bei dringendem Tatverdacht zu einem Mindeststrafmaß von zehn Jahren zur Anwendung kommen, woran diese, laut Platter „wenig ausgesuchten Fälle“ allerdings konstatiert werden, bleibt im Verborgenen.
Wer die mediale Berichterstattung der deutschen Nachbarn verfolgt, dem wird dieses Thema bekannt vorkommen. Das Vorgehen des Innenministers Platter folgt dem Überwachungstrend der deutschen Politik, wenn man bedenkt, was deren Innenminister Schäuble schon seit geraumer Zeit durchzubringen versucht. Kleine, die Terminologie betreffende Unterschiede, wie „Polizeitrojaner“ oder „Behördentrojaner“ und noch kleinere Unterschiede in der Niederträchtigkeit der Grundidee lassen sich festmachen. Schockierender aber ist die Tatsache, dass es im Lande niemanden so recht zu interessieren scheint, wenn ganz offensichtlich schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte gemacht werden. Klammheimlich und besorgniserregend schnell wird seitens des Innenministeriums ein äußerst fragwürdiges Gesetz vorangetrieben, dass jeglichem Anspruch auf Privatsphäre spottet.
Was die technische Umsetzung des Lauschangriffs auf heimische Computer betrifft, hüllt sich das Innenministerium weitgehend in Schweigen oder anders formuliert, hat keinen blassen Schimmer, wie so ein Angriff überhaupt operationalisierbar ist. „Im BMI wird nicht an einem Behörden-Trojaner gearbeitet. Derzeit werden Informationen über die Zweckmäßigkeit des Einsatzes solcher Programme für die österreichische Kriminalpolizei gesammelt bzw. werden internationale Vergleiche gezogen,“ so Platter.
Seitens der Big Brother Awards, einem der wenigen Gegner der Online-Durchsuchung, warnt man vor der Blauäugigkeit die von der Nerd-Community verströmt wird. Wer demnach glaubt, die selbst konfigurierte Firewall schütze den eigenen Rechner vor polizeilichen Störenfrieden, der irrt, oder kann irren. Auch neben den gängigen Betriebssystemen existierende Distributionen, wie Linux seien angreifbar und nicht per se aus dem Schneider. Die technische Operationalisierbarkeit der Online-Durchsuchung sei nur eine Frage der Zeit.
Darum gehe es aber gar nicht, so Christian Jeitler von den Big Brother Awards, eine Diskussion auf dieser Ebene führe auf keinen grünen Zweig. Wer ist schlau und geeky genug um sich vor dem Bullen-Trojaner zu schützen? Die Online-Durchsuchung technisch zu hinterfragen sei also der falsche Ansatz. Knackpunkt ist das in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest verankerte Recht auf Privatsphäre.
Der Versuch, die Online-Durchsuchungen mit der weltweiten Bedrohung durch den Terrorismus zu legitimieren, was seitens des Justizministeriums versucht wird, greift nicht. Wie weit der Terrorismus-Begriff ausgelegt werden kann, das hat uns G8 gezeigt und wird uns die Euro 2008 zeigen. Nach der Einführung des Behördentrojaners könnte quasi jede/r, der/die jemals latenten oder auch freiwilligen E-Mail-Kontakt zu einem linken Protestler, einem Hooligan oder Al-Quaida Mitglied etc. hatte ins Fahundungsraster der Polizei geraten.
Ein neuerlicher Blick in den Norden zeigt, dass es manchmal gar keinen Behörden-Trojaner braucht, dass dieser eh nur der perfide verlängerte Arm dessen wäre, was von BKA (KGB, Stasi…) eh seit jeher betrieben wurde.
Andrej H. ist das Paradebeispiel des friedlichen, unter Terrorverdacht stehenden Bürgers.Der promovierte Soziologe geriet in Verdacht, mit der linksradikalen „militanten Gruppe“ in Verbindung zu stehen, woraufhin er vom BKA massivst überwacht wurde, nachdem er erstmal über mehrere Wochen in U-Haft saß.
Von den Ermittlern wurden alle Register gezogen: Videoüberwachung, Verwanzung, Telefonabhörung und und und. Auf die Schliche gekommen ist man dem Spitzel-Opfer, man glaube es kaum, via Google. Willkürlich wurden vermeintliche Schlüsselwörter, die man in Andrej H.’s Texten festmachen konnte, dem linksradikalen Terrorismusjargon zugeordnet und schwupps, war der Terrorverdacht da und die prophylaktische U-Haft legitimiert. Der Überwachungsterror, den die Familie von Andrej H. nun tagtäglich mitmachen muss, wird von Andrejs Frau akribisch im Blog annalist beschrieben.
Ob der Behörden-Trojaner nun kommt oder nicht, die Tendenz ist offensichtlich, Überwachung quasi omnipräsent und der Überwachungsstaat in greifbarer Nähe. Man denke nur an die Vorratsdatenspeicherung und die Bildungsevidenz, aber diese Liste scheint unendlich… (Georg Pircher Verdorfer)
Links:
http://annalist.noblogs.org/
http://www.gulli.com/news/kein-terrorist-bespitzelter-2007-10-24/
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